Fußball: Leitwolf mit Dreierpack

In Fussball by Waldeckische Landeszeitung

Raphael Chirakakis ist in Korbach nicht nur Abwehrchef

VON GERHARD MENKEL

Korbach – Dass Raphael Chirakakis in seinen Gruppenliga-Zeiten noch mal drei Treffer in einer Partie erzielen würde, war nicht vorauszusehen. Der Fußballer ist beim TSV/FC Korbach als Abwehrchef eigentlich mit der Torvermeidung betraut. Diese Aufgabe interpretiert er recht offensiv – im eigentlichen und im übertragenen Sinne.

Chirakakis, das kann man so sagen, ist ein Leitwolf. Sein Anspruch sei es, die jungen Spieler mitzunehmen „und auch in schwierigen Phasen im Spiel zu versuchen voranzugehen, sei es verbal oder mit entsprechenden Aktionen“. Führungsfigur ist er schon qua Amt – als Kapitän – und qua Alter – mit 32 Jahren ist er Senior eines Kaders, der zuletzt beim 4:3-Erfolg in Neukirchen mit einem Altersdurchschnitt von knapp über 23 einer der jüngsten der Liga sein dürfte.

Führungsfigur ist Chirakakis auch durch sein Spiel. Um das zu erklären, muss man etwas ausholen. Sein angestammtes Revier war immer das Mittelfeld, wo er seine bemerkenswerte Technik und seine Ruhe am Ball am besten zur Geltung bringen konnte. Uwe Tenbusch hat ihn zum Abwehrmann umgeschult.

Vor seinem zweiten Jahr beim TSV/FC fand der Trainer im Sommer 2021 mit einem Schwung frischer junger Leute im Kader ein Überangebot talentierter Mittelfeldspieler vor. „Dann hat er mich zurückgezogen“ erzählt Chirakakis.

Dass Tenbusch zunächst die Stelle als Linksverteidiger für den Zentrumsmann vorsah, nahm dieser, wie er sagt, „zähneknirschend“ hin. Womöglich hat es Tenbusch vernommen. Er gab seinem erfahrenen Spieler jedenfalls bald die Aufgabe in der Innenverteidigung.

„Ich bin mittlerweile mit der Position vollkommen zufrieden“, sagt Chirakakis. „Wir haben im zentralen Bereich ja wirklich junge, dynamische Spieler, die das super machen.“ Seine jetzige Stellung komme außerdem seiner Rolle als Sechser, in der er vorher heimisch war, durchaus nahe. „Ich bin viel am Spielaufbau beteiligt, wo ich – würde ich behaupten – meine Stärken habe.“ Aus der Kette heraus sei die Mannschaft auch besser zu führen, „als wenn man selber noch im Mittelfeld rumspringt“.

Eine Umstellung sei es gleichwohl gewesen – „Raffa“, wie ihn alle rufen, musste dazulernen. Er habe Tenbuschs Tipps angenommen, sagt er. Lehrmaterial stellt mittlerweile auch die bei den Heimspielen eingesetzte Videotechnik zur Verfügung. „Finde ich sehr positiv“, sagt Chirakakis. Es erlaubt ihm die kritische Überprüfung eigenen Handelns.

Der Lernprozess ist nicht vorbei. Chirakakis findet, dass ihm seine Fähigkeit, auch in hektischen Phasen Ruhe ins Spiel zu bringen, dessen Balance zu wahren, im Abwehrzentrum zugutekommt. Aber manchmal ist der kompromisslos lang geschlagene Ball das nötige Mittel. Er tue sich mitunter jedoch schwer damit, „den Ball einfach raus zu dreschen“.

Dabei kann das Risikozuspiel in der Kette ganz fix zählbare Folgen haben. Im Vorbereitungskick gegen Eintracht Edertal Anfang Februar spielte Chirakakis kurz vor Schluss einen, wie er sagt, „dummen Fehlpass“, statt das Spielgerät einfach weit wegzubefördern. Korbach kriegte prompt das 1:1.

Seine Grundsätze der Ballbehandlung stellt er deshalb nicht infrage. „Ich versuche gerne, die Dinge spielerisch zu lösen.“ Dieses Spielcredo ließe sich ohne Jonah Schmincke als kongenialen Partner an seiner Seite womöglich weniger gut umsetzen. „Er ist für mich Gold wert“, sagt Chirakakis. Er selbst habe ja noch nie mit Schnelligkeit glänzen können. Anders der ehemalige Bundesliga-A-Junior Schmincke. „Er läuft halt alles weg“, sagt Chirakakis. Dazu merke man dem 21-Jährigen seine gute Ausbildung an, er beherrsche auch den Spielaufbau. „Wir ergänzen uns gut.“

Beim Sieg in Neukirchen war Schmincke gegen den schnellen Ricardo Seck die Idealbesetzung. Chirakakis schaffte in dieser Begegnung seinen ersten Dreierpack seit mehr als viereinhalb Jahren. Okay, die drei Tore entsprangen durchweg Standards. „Und da bin ich nun mal mit vorne“, sagt Chirakakis.

Er war beängstigend effektiv – erst nach Freistoß von Lukas Beil, der sah, dass der Teamkollege vor seinem Gegenspieler stand und freies Schussfeld besaß. Dann nach Elias Mayers Ecke, die ihm „auf den Kopf gefallen“ sei. Schließlich das 3:3 mit einem direkt verwandelten Freistoß. Solchen ruhenden Bällen geben in der Regel Steffen Emde oder Kevin Staniek den passenden Tritt. Sie fehlten. Chirakakis sagt, da habe er eben die Verantwortung übernommen.

Prima Perspektiven an der Hauer

Raphael Chirakakis bildet gemeinsam mit David Will und demnächst Kevin Staniek die Ü30-Fraktion im Kader des TSV/FC. Ihre Mitspieler sind 23 und jünger. Das Zusammenspiel mit der neuen Generation verlangt den Älteren gewisse Anpassungsleistungen ab. Chirakakis verweist darauf, wenn er sagt: „Ich bin eher Gegner von Unverbindlichkeit oder schnellem Beleidigtsein.“ Ersteres sei weniger ein Thema an der Hauer. Die jungen Spieler hätten wirklich alle Bock.

Doch eine größere Sensibilität im Kollektiv stellt Chirakakis fest. Er werde auf dem Platz manchmal lauter. Klar müsse er sich vielleicht ein bisschen zügeln. „Mir fällt es aber schwer, wenn so etwas schnell persönlich genommen wird. Früher haben wir uns auf dem Platz angekackt und nach dem Spiel brauchte es nicht mal mehr ein Gespräch, da war das Ding direkt durch.“ Es störe ihn, wenn das nun manchmal nicht der Fall sei. Andrerseits müsse man sich den Gegebenheiten anpassen. „Man kann nicht alles so nehmen, wie es früher mal war.“

Früher, das war auch die Verbandsliga. Mittlerweile hat der Verein mit seiner Jugendarbeit die Basis für ein Comeback gelegt. Die Perspektiven seien richtig gut, sagt Chirakakis, „weil viele gute junge Spieler dabei sind und auch immer wieder gute junge Spieler hochkommen“.

Das ist es nicht allein. Die Anbindung der A-Jugend an die Senioren ist eng. Man müsse gucken, dass man die jungen Spieler bei der Stange halte, sagt Chirakakis: „Ich habe das Gefühl, dass das aktuell im Verein sehr gut läuft.“

Das Miteinander findet der Spielführer ebenfalls gerade sehr okay. Sowohl gegen Schwalmstadt (2:1) als auch in Neukirchen habe es etliche Ausfälle gegeben. „Das zeichnet uns auch aus, dass dann Spieler in die Bresche springen, die vielleicht eher in der „Zweiten“ angesiedelt sind“, sagt er. Bestes Beispiel: Florian Fricke. Er schoss in beiden Partien das Siegtor. Dass er sich in Neukirchen einen Kreuzbandriss zuzog, hat alle geschockt.

Ob die Jugendarbeit mal wieder in der Verbandsliga ende, wisse er nicht, sagt Chirakakis. „Was da auch finanziell abgeht, da könnte es schwierig werden, sie mit der eigenen Jugend gut zu stemmen.“ In der Gruppenliga dagegen könnten sich die jungen Spieler gut entwickeln. Irgendwann wolle vielleicht aber auch die Mannschaft „mal mehr als Dritter oder Vierter werden“.

Von sich weiß Chirakakis, dass es so ist. „Ich möchte immer so hoch wie möglich spielen.“ Seine Zukunft lässt er indes offen – er ist im November Papa geworden. „Wir müssen uns als Familie erst finden“, sagt er. „Ich gehe davon aus, dass es weitergehen wird.“  mn

Quelle

Waldeckische Landeszeitung

Facebook Twitter

Die Waldeckische Landeszeitung ist die Heimatzeitung des TSV 1850/09 Korbach e. V. Sportredaktion: Gerhard Menkel (Leiter), Manfred Niemeier, Werner Spitzkopf, Jürgen Heide, Reinhard Schmidt und Dirk Schäfer.

Beitrag teilen