Twirlingprüfung online: Sparte des TSV Korbach nutzt digitalen Raum

In Corona, Twirling by Waldeckische Landeszeitung

Gute Idee nach Sportverbot mit Gruppen in der Halle

Prüfung vor der Computerkamera: Finnja Fröbig bei ihrer Übung unter den Augen von Prüferin: Nadja Buda (oben Mitte) und Koordinatorin: Dominique Schmidt aus Wetzlar. Finnja hat bestanden. 
©  screenshot/pr

Der Vereinssport leidet an Corona. Manchmal wächst er daran. Oft kommt beides zusammen. Wie bei den Twirlingsportlerinnen des TSV Korbach. Weil sie sich zum Tanz mit vielen gerade nicht treffen dürfen und die Hallen geschlossen sind, hat die Abteilung Prüfungen ins Internet verlegt. Ein Experiment.

Korbach – Normalerweise hätten die Prüfungen zentral für Hessen im Oktober in der Korbacher Louis-Peter-Sporthalle stattfinden sollen. Sie mussten abgesagt werden, doch dabei sollte es nicht bleiben. „Die Mädchen hatten sich wochenlang auf die Prüfung vorbereitet, sie konnten wir nicht hängenlassen. Man hat ja auch Angst, dass man sie verliert. So kam die Idee: Wir probieren das online“, erzählt Nadja Buda (40). Sie ist Sportwartin der Sparte und beim Landesverband. Trainerin und ausgebildete Jurorin ist sie außerdem. Sie hat selbst getanzt.

Sie wusste also sehr genau um die Herausforderung für ihre Schützlinge bei den digitalen Live-Prüfungen, die über Zoom stattfanden, einer Plattform für Videokonferenzen. Die oft sehr jungen Tänzerinnen standen zu einer vorher festgelegten Uhrzeit zuhause allein vor der Computer-Kamera. Die Jurorin saß irgendwo in Deutschland ebenfalls vor dem PC und bewertete, was sie sah. Die Ergebnisse? Sind differenziert zu betrachten.

Auf ungewohntes Format einlassen

Die Mädchen, und es handelt sich allein um Mädchen, Twirling ist sehr weiblich, ließen sich auf das ungewohnte Format ein. „Wir waren positiv überrascht, dass das wirklich so gut funktioniert. Wir hatten schon allein mit mehr technischen Schwierigkeiten gerechnet“, sagt Nadja Buda. Klar, gelegentlich hing die Internet-Verbindung.

An dieser Stelle muss man auf die Prüfungen zu sprechen kommen. Es handelt sich um sogenannte Levelprüfungen. Die Jury bewertet, ob die Sportlerin grundlegende Twirling- und Körpertechniken beherrscht. „Man muss sich eine Reihenfolge merken und Takte. Meistens läuft ein Metronom im Hintergrund oder eine bestimmte Musik. Die Mädchen müssen in der Lage sein, sie zu erkennen“, erzählt Nadja Buda.

Am Ende steht die WM-Reife

Die einzelnen Prüfungen bauen im Schwierigkeitsgrad aufeinander auf und müssen in einer festgelegten Reihenfolge absolviert werden. Das Ausbildungssystem erscheint Außenstehenden als kompliziert (siehe Hintergrund). Nadja Buda vergleicht es mit der Schule: Wer in die Klasse 6 versetzt werden will, muss die Anforderungen der Klasse 5 geschafft haben.

Am Ende hat die Sportlerin so etwas wie eine Meisterschaftsreife erlangt: Je mehr Prüfungen sie ablegt desto mehr Disziplinen darf sie bei Titelkämpfen bestreiten. Zehn Mal bestanden verschafft potenziell Zutritt zur WM. Der TSV Korbach setzt wegen seiner relativ vielen Sportlerinnen – die Sparte zählte in besten Zeiten rund 100 Aktive –  stark auf Team-Wettbewerbe. Um bei Meisterschaften im Team starten zu dürfen, müssen die Mädchen drei Prüfungen ablegen.

Beim Erstauftritt im Zoom-Raum haben mehr Prüflinge als sonst nicht bestanden. Hessenweit sei die Hälfte leider durchgefallen, sagt Nadja Buda. Auch unter ihren knapp 20 Mädchen erreichten nicht alle das Ziel. Sie hat Erklärungen. Einer Prüfung in der Halle ist ein Workshop vorgeschaltet. „Da schauen die Trainer über den Ablauf und korrigieren gegebenenfalls. Das hat gefehlt“, sagt Nadja Buda. Dann; das ungewohnte Setting. „Die Mädchen müssen von 0 auf 100 da sein. Man kann sie nicht anleiten, damit sie ankommen können. Sie sind zuhause und es heißt: Mach mal die Prüfung.“

Danach, wenn sich die Jurorin und die Koordinatorin, die den ordnungsgemäßen Ablauf überwacht, sowie die zugeschaltete Vereinstrainerin, rasch verabschieden, gibt es keine Nähe. „Da ist nichts mit in den Arm nehmen oder trösten“, sagt Buda: „Das Persönliche geht verloren.“

Deshalb bekamen die Mädchen das Prüfungsresultat auch erst später über die Vereinstrainer mitgeteilt. Wer nicht bestanden hatte, sollte mit diesem Urteil nicht einfach zurückgelassen werden.

Ein Trost für die Sportlerinnen: Sie bekamen eine zweite Chance, weil die Prüfungsumgebung Neuland war. „Die Vereinstrainer wussten ja, woran die Mädchen scheiterten“, sagt Nadja Buda. Ihre Nachprüflinge haben beim zweiten Mal alle bestanden.

Sorge um Aktive, Sehnsucht nach Normalität

Digitale Technik eröffnet auch in einem Sport wie Twirling neue Möglichkeiten. So sind die Onlineprüfungen für das kommende Jahr erneut angedacht, stellt die Korbacher TSV-Sparte ihren Sportlerinnen Videos mit Übungen zur Verfügung und bietet Online-Training an, Jenseits des Sports kam eine Aktion Adventskalender ins Spiel. Kurzfristig könne man die Mädchen damit bei der Stange halten, sagt Sportwartin Buda. Doch das virtuelle Format stößt an Grenzen.

„Den größeren Mädchen ab zwölf Jahre kann man online kaum Perspektive bieten“, so Buda. Um mit Stäben (Batons) trainieren zu können, benötigen sie hohe, weite Räume, sonst seien sie nicht konkurrenzfähig. Wer aber hat die zuhause schon?

Deshalb brach mit der Nachricht, dass der Landkreis Waldeck-Frankenberg die Großsporthalle der Louis-Peter-Schule zum Impfzentrum umfunktionieren wird, eine Twirling-Welt zusammen. Die Halle ist wegen ihrer Höhe das Trainings- und Wettkampfdomizil der Abteilung, Ersatz ist nicht in Sicht. Sie ist zwar derzeit ohnehin zu, aber es gab Hoffnung auf eine Rückkehr vielleicht schon im Januar. Vorbei. „Das ist für uns das härteste Brett dieses Jahr“, sagt Nadja Buda.

„Wenn es nach den Ferien nicht weitergeht, wird es schwierig“

Normalität war 2020 überhaupt die Ausnahme: Nur bis Mitte März und zwischen Ende der Sommerferien sowie dem zweiten Lockdown Ende Oktober konnten die Sportlerinnen beinahe wie gewohnt trainieren. Auch unter Corona-Regeln. „Die Mädchen halten automatisch Abstand, um sich nicht zu verletzen.“

So lange es ging, bot die Abteilung zudem Training unter freiem Himmel an. Damit ist es lange vorbei, die neue Nachricht drückt zusätzlich auf die Stimmung. Natürlich hätten Gesundheit und Impfschutz Vorrang, betont Nadja Buda. Twirling sei ein Hobby, und jeder habe „sein Päckchen zu tragen“.

Doch sie macht sich Sorgen. „Wir hatten die Hoffnung, dass wir die Mädchen mal im Training wiedersehen. Wenn es nach den Weihnachtsferien nicht weitergeht, wird es schwierig.“ Sie denkt an erfolgreiche Tänzerinnen wie Hessenmeisterin Jennifer Markvart. „Wie wir sie noch motivieren können, weiß ich nicht.“

Es sind aber eher nicht die Etablierten, die aufhören, sondern vor allem Mädchen, die erst kurz dabei sind. Im Vergleich zum Höchststand hat die Sparte geschätzt rund 30 Aktive verloren. mn

Quelle

Waldeckische Landeszeitung

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Die Waldeckische Landeszeitung ist die Heimatzeitung des TSV 1850/09 Korbach e. V. Sportredaktion: Gerhard Menkel (Leiter), Manfred Niemeier, Werner Spitzkopf, Jürgen Heide, Reinhard Schmidt und Dirk Schäfer.

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